Da
ist Max nun in Kamerun, erlebt hier und da etwas neues, erfährt dann
und wann ein neues Wort in Mungaka und bekommt ohne wenn und aber
neue Geschmackseindrücke präsentiert, trotzdem muss er eines
feststellen: Hier gibt es viel zu viele Weiße...
Die
letzte Woche war mal wieder sehr Schwarz-Weiß-gemixt (damit versuche
ich zu sagen, dass wir durch diese Weißen, viel kamerunische Kultur
mitbekommen haben).
Es
fing damit an, das Benjamin, ein junger Schweizer, der mit seiner
Familie für zwei Wochen durch Kamerun gereist ist und alleine noch
eine weitere Wochen in Bamenda blieb, uns am Samstag besuchen kommen
wollte. Das kam er dann ja schließlich auch, sogar mit eigenem
Fahrer. Wir drei gingen gleich nach dem Frühstück los, wir wollten
Benjamin etwas von Bali zeigen, den Palast, Ntangfoang, den Markt und
so weiter.
Benjamin
ist zum ersten mal Okada gefahren, fand es leider nur "interessant",
und wir entschieden uns als ersten Zwischenstopp den Palast
aufzusuchen.
Wir
wurden wie immer gleich für eine Führung überredet, der
Rezeptionist Immanuel wollte gleich mal fragen, ob der Fon auch noch
für uns Zeit hätte, und dann ging es aufeinmal ganz schnell,
Immanueal kam angehechtet und meinte: "schnell, schnell, der Fon
kann euch Empfangen, hat aber nur ganz kurz Zeit!". Dann saßen
wir auch schon vor dem Thron und klopften mit fünf immer leiser
werdenden Klatschern den Fon herbei.
Der Sitz des Fons mit Muscheln geschmückt |
Fon Ganyonga
Wenn
der Fon steht, haben alle Gäste zu stehen, sitzt der Fon so darf man
sich hinsetzten, Gäste dürfen nur gebückt die Treppe zum Thron
hochlaufen, genauso dürfen Gäste ohne Einwilligung des Fons nicht
ihre Beine überkreuzen und und und. Diese ganzen Regeln wurden uns
ganz kurz und ganz auf Englisch vom Immanuel im Ganzen erzählt, Max
konnte sich diese ganz und gar nicht merken.
Aber
der Fon sah das alles nicht allzu eng, er fragte gleich nach unseren
Namen, unser Alter und fand es gut, dass wir so spontan ihn besuchen
kamen. Erst das ganze auf Englisch, dann nahm er einen wichtigen
Anruf entgegen und dann sprach er weiter in fließender deutscher
Sprache. Der Fon von Bali hat mehrere Jahre in Deutschland gelebt und
dort auch studiert, hat eine deutsche Frau und alles ist mal wieder
Deutsch. Wir haben schon viele Leute getroffen, die ein paar deutsche
Phrasen oder Sätze sprechen können, meist eher gebrochen, mit
einigen kann man sich aber gut unterhalten. So auch mit unserem Fon,
wir quatschten über dies und das und er war nett und versprach uns,
uns bald wieder zu empfangen, er hätte heute nicht viel Zeit, wegen
den vergangenen Wahlen.
Er sagte aber, wir sollen noch hierbleiben
und bei ihm speißen, das liesen wir uns nicht entgehen und es gab
Yamyams mit Jamajama und gegrilltem Fisch, (Yamyams sind
Kartoffelähnliche Wurzeln, wenn ich Essen gehe, versuche ich immer
Yamyams zu bekommen, Jamajama ist ähnlich Spinat und ist wohl Lauras
Liebling hier, auch ich kann kaum genug bekommen davon) im Jamajama
war außerdem noch noch gegrilltes Fleisch (arme Laura). Insgesamt
war das Essen sehr lecker, wir bekamen noch ein Bier und die Frauen
des Fons fragten uns immer wieder, ob alles zu unserer Zufriedenheit
sei.
Der Innenhof des Palastes |
Einige alte traditionelle Handwerke |
Der
Rest von Bali war dann schnell gezeigt, Benjamin musste dann auch
bald und vor Dunkelheit gehen, wir entschieden uns uns am Dienstag
wiederzutreffen, er wollte nämlich einmal eine Primary School von
Innen sehen.
Also
kam er ganz früh dienstag, wir stiegen auf unsere Okadas, ich
schrieb mit meiner Klasse an der BNPS Alpha den Test, Benjamin
schaute zu und war im Endeffekt etwas erstaunt, wie ich das aushalte,
besonders den Sportunterricht, der mehr als wild ist.
Benjamin
wollte nur einmal kurz Gregory hallo sagen. Gregory ist ein kameruner
und arbeitet viel mit der Organisation Ashia zusammen. Seine Aufgabe
ist die Koordination vor Ort und außerdem ist er noch bekannt als
guter und verlässlicher Fahrer. Und so kam Benjamin an Gregory,
seine Familie hat ihn für die zwei Wochen als Fahrer engagiert. Nun
sollten wir auch Gregory kennenlernen, seine Nummer stand schon in
unserem Freiwilligenbuch, er sei nett und helfe uns beim
Wassersammeln, hier hängen überall Ashia-Kalender und in der
Freiwilligenbuch-Karte ist der Ashia-Shop eingezeichnet, der Gregory
gehört.
So
kam also Gregory mit seinem Allrad-Pickup, rot mit weißer
ashia.ch-Aufschrift, und zwei weiteren Weißen im Gepäck.
Na
toll, da wollen wir Gregory kennenlernen und treffen zwei weitere
Deutsche, Joel und Lukas. Joel hat die ersten fünf seiner
Lebensjahre in Kamerun gelebt, und hat sich einen Freund gepackt um
mal wieder in Kamerun rumzureisen.
Gregory
lädt uns gleich zu einem kühlen Getränk ein, schon kommt noch ein
Joel. Auch wieder weiß, aus der Schweiz, 67 Jahre alt, lebt mit
seiner kamerunischen Frau in Kamerun, und baut mit seinem Verein
Brunnen in Regionen wo Wasserknappheit herrscht.
Wir
wollten doch nur kurz Gregory hallo sagen und dann nach Bamenda:
"Nein, ihr könnt nicht nach Bamenda, wir sind alle auf einer
Beerdigung eingeladen." Aber...aber...aber....
Bei
Gregory gibt es keine abers, wir sind eingeladen, so gehen wir dann
auch dort hin.
Also
alle eingestiegen, eigentlich eher aufgestiegen, Laura und ich
wollten nähmlich hinten auf der Ladefläche mitfahren. Als dann
immer mehr Kisten mit Getränken und Bier aufgeladen, noch ein paar
Mamis mitgenommen wurden und alle weißen hinten auf der Ladefläche
saßen fuhren wir glücklich zur Beerdigung. (Jetzt denkt nicht böse
über mich, weil ich glücklich war, hier werden Beerdigungen noch
richtig gefeiert!)
Die Beerdigung
Auf
der Fahrt schnappte ich auf, dass die Verstorbenen durch ein paar
Trauertage und dann mächtigen und lauten Feiern geehrt werden. Auch
der Nachfolger im weißen Gewand steht bei den Feiern schon mit im
Mittelpunkt.
Auf zur Beerdigung, in Alltagsanzug |
An
dem Grundstück, wo Gregory dann anhielt, saßen schon ein paar
Gäste, außerdem steckte ein Stock mit einer Puppe am oberen Ende,
der Stock verziert, die Puppe bunt und ein Körper aus abstehendenem
Stroh, als Symbol für den Tod eines Familienmitglieds, im Boden.
Immanuel,
ein nahestehender Verwandter des Verstorbenen und Architekt (er sagte
er habe das und das und jenes Gebäude entworfen und bauen lassen,
fast halb Bali war von ihm erbaut, ein paar Tage darauf haben wir
auch einen Okadafahrer und Bauarbeiter getroffen, der diese ganzen
Gebäude mit seiner Firma für Immanuel baute), war die Person auf
die unsere Einladung zurück ging. Wir wurden auch sofort vom Pick-Up
auf eine Bank beordert und mit Speiß und Trank umgarnt. Die älteren
Mamis staunten nicht schlecht, als Laura anfing zusammen mit einer
Kamerunerin das Geschirr vorm Haus abzuwaschen.
Auch Laura freut sich riesig |
Noch
ein kurzes Päusschen und schon fing, erst langsam dann immer wilder,
Trommel- und Xylophonspiel an. Gregory meinte wir warten noch auf die
Tanzgruppe, und da erschien auch schon eine, in traditionellen
Gewändern und bunt geschmückt, Trommeln, Gongs, Ban und riesige
Holzxylophone im Schlepptau. Immer wieder liefen „wichtige Baliman“
an uns vorbei zum Hauptort der Beerdigung, sie erkennt man an einer
traditionellen schwarzen Mütze in die verschiedene Federn gesteckt
werden.
Lukas, Benjamin und ich, das schönste Foto |
Da
warteten wir nicht lange, folgten der Beerdigung und kamen auf ein
Compound mit zwei Plätzen. Auf diesen Plätzen bildeten sich, nach
und nach und immer wieder neu, zwei Tanzzentren mit eigener
Trommelmusik und Xylophongespiele.
Getanzt
wird auf Beerdigungen so:
Einer der Tanzzentren |
Es
wird in einer sich in einer Schlange gereiht und im Takt mit einer
komplizierten aber langsamen Schrittfolge „weitergetanzt“, es
geht also bei jedem Takt einen kleinen Schritt weiter, die Reihe
bildet einen Kreis und umtanzt weitere Personen, vermutlich die
Angehörigen. In dem Kreis befinden sich dann die großen und
geschmückten Trommeln und Drum ( eine aus einem ganzen Baumstamm
gefertigte Trommel mit zwei Klangfeldern und riesigen Knüppeln als
Schlagstöckern, aber unendlichen Möglichkeiten), Gongs ( eine Art
Glocke mit zwei Klangfeldern auf die mit einem kleinen Stock
getrommelt wird) Ban ( eine Art Vase mit einem großen Loch oben,
welche entweder mit der flachen Hand oder einem Knüppel mit Kissen
gespielt wird) und die wild tanzenden Menschen. Zu dem ganzen Getanze
wird dann noch gesungen, alle im Chor und manchmal auch einer
alleine.
Das große Runde ist eine Drum |
Schon
dieses Tanzen, da gab es die Gruppe links und die andere rechts, in
verschiedenen Takten, verschiedene Melodien und unterschiedliche
Instrumente, war herrlich anzusehen. Selbst die ältesten der Alten
und die Verrücktesten der Verrückten nahmen Teil an diesem
Spektakel und auch ich wurde freudig empfangen mitzutanzen und
mitzufeiern.
Plötzlich
hieß und Gregory dort zu stehen - nein lieber dort, eigentlich ist
es dort am besten und haltet eure Kameras bereit! - die Jujus kommen.
Alle gute Jujus |
Jujus,
so wussten wir bereits, sind eine Art von Geistern, in den Jujus
stecken keine Menschen, sondern irgendwie die Seelen von den Ahnen
oder so. Etwas verwirrend wenn man früher noch gar keinen Kontakt
mit solchen Jujus hatte, den Sinn und die Idee hinter dieser
Tradition zu verstehen. Ich kann nicht viel genaues zu ihnen sagen,
alles was ich jetzt schreibe ist wie ich es verstanden habe.
Es
gibt jedenfalls gute und böse Jujus.
In
Kumbo laufen nach dem Tod eines Angehörigen gerne einmal böse Jujus
rum, sie werfen Stöcke oder schlagen mit diesen, wirst du von ihnen
berührt, bist du verflucht und musst dich bei dem Fon freikaufen,
tust du dies nicht, so wirst du verrückt oder stirbst einen
plötzlichen Tod. Läuft einer dieser bösen Jujus durch die Stadt,
so legt er den gesamten Verkehr und die Arbeitswelt für die Dauer
seiner Anwesenheit lahm, die Kinder laufen schreiend und heulend weg
und selbst die Ältesten die mit ihrem Stock so daherhumpeln kriegen
auf einmal neue Hüftgelenke und verstecken sich in den unmöglichsten
Verstecken.
Für
mich ist es eher unglaublich, die Menschen glauben aber fest daran.
Da
kamen also die Jujus, Gregory lachte, als wir fragten ob auch böse
Jujus kommen und meinte diese seien einzig für die Unterhaltung der
Gäste da.
Und
da kamen sie, in ihren schwarzen Gewändern, mit Kastagnetten
ähnlichen Rasseln an den Waden, einem Pferdeschweif und verzierten
Stock und ihren Tiermasken aus dunklem Holz. Ein Drumspieler hat
schon angefangen die wildesten Rythmen auf seinem Instrument zu
schlagen, die Jujus tanzen herein und legen die wildeste,
atemberaubendste Tanzshow ab, die ich jemals verfolgen durft. Ihre
Stöcke wurden immer wieder in anderer Ordnung in die Mitte gelegt,
die Schweife machten einen Geräusch, das Fegen ähnlich ist, und die
Rasseln an ihren Füßen rasselten sich wild und fuchsig. Staub wurde
durch die sechs gleichzeitig stampfenden Jujus aufgewirbelt, die
Haare des Pferdeschweifs rasten auf dich zu und traten durch einen
kräftigen aber geplanten Ruck des Jujus wie eine Peitsche den
Rückweg an, die Jujus warfen sich zu Boden und tanzten im Kreis,
drehten sich um ihre eigene Achse und tanzten immer wieder,
gefährlich nahekommend, die Gäste und Zuschauer an. Ist man
zufrieden mit der Show der Jujus, will in eine glückliche Zukunft
investieren, oder möchte die Jujus unterstützen, so gibt man ihnen
unauffällig Geld, steckt ein Juju einen Stock vor deine Füße und
Tanzt, dich mit seiner Maske anschauend, so musst du Geld geben. (Da
handelt es sich um 100CFA also ~17ct, keine Angst!)
Auch auf dem Po wird getanzt |
Da grinst uns Kingsley an |
Einer
der Jujus machte „ksss, Max, it's me“. Super, unter der Maske
weiß ich auch wer it's me ist, „I'm Kingsley, Okada, you know?“,
Kingsley unser lieblings Okada Fahrer war das da unter der Maske?
Aufeinmal erkannte ich sein breites Grinsen, ich wusste sofort, wem
ich eine kleine Spende geben, unser Kingsley ein Juju, verrückt.
Die verzierten Stäbe mit den Puppen wurden mit den Bildern des Verstorbenen mit zum Tanzen genommen |
Nach
der zweiten Runde der Jujus, umgezogen und beim zweiten Platz, traf
ich dann Immanuel, den Rezeptionisten des Palastes und er war ganz
froh mich zu sehen. Er prahlte gleich mit „wie gefällt dir meine
Tanzgruppe? Wir hatten schon Auftritte in Osteuropa und in Frankreich
und Spanien.“
Wie?
Immanuel trainiert die Jujus, die schon in Europa tanzten und
Kingsley ist einer von ihnen? Was sollte denn jetzt noch kommen?
Der ist wohl am ehesten ein Böser |
Beendet
wurde die Beerdigung für uns dann mit ein paar Planten (Kochbananen)
und einem bösen Juju. Es hatte sich wie in windeseile
herumgesprochen, das auf der Beerdigung ein böser Juju rumläuft,
den Frauen nicht sehen dürfen, es liegen gut 100 Frauen in das Haus
hinein, vor dem wir gerade aßen, Laura wurde mehr oder weniger
hereingezerrt und mit dem Gesicht gegen die Wand stehen gelassen.
Gregory und der alte Joel |
Ich
als Mann durfte ihn sehen, also bin ich auf zur Quelle des Unsinns
und erfuhr nur, das jemand sich einen Scherz erlaubt hatte. Ich
fragte Gregory, warum ihn Frauen nicht sehen dürfen, Männer aber
schon, er lachte wiedermal und meinte, der böse Juju sei ein nackter
Mann. Warum wollte ich den doch gleich unbedingt sehen?
Die deutsche Familie
Was
ein Tag. Ab ins Bettchen, dachte sich Max, Gregory fuhr uns zum
Ntangfoang, wir brachten Benjamin zum Taxi und wir sollten noch
schnell Diane besuchen, weil Gregory ihr was bringen wollte. Diane
ist die Frau des Prescraft-Managers in Bali und lebt auf dem
Grundstück des Prescraft mit ihrem Mann und zwei echt süßen
Kindern. Diane meinte, Mona und Florian wollten uns unbedingt
kennenlernen, sie sind Deutsche und wohnen hier in Bali.
Gregory
nahm sich das zum Anlass, uns gleich zu ihnen zu fahren. Mona ist
Hebamme und Papa Florian ist Kinderarzt, Juri ist gerade drei Jahre
alt und Eda genau eins. Sie leben im Viertel Jamjam und haben dort
ein schickes Häusschen und einen wundervollen Garten. Die beiden
sind jetzt wohl Mitte dreißig, wirken aber einige Jahre jünger und
sind beide total liebe und nette Menschen. Wir versprachen uns mal zu
treffen und gingen dann noch mit Gregory, Lukas und Joel ein
Bettbierchen trinken.
Das
war ein Tag. Der Tag. Man hat nichts böses im Kopf,will nur kurz
nach Bamenda und erlebt durch Zufall soviel Kultur und Spaß auf
einmal. Nicht das das etwas besonderes sei, lebe einfach in den Tag
hinein und bleib spontan, flexibel und laufe mit offenen Augen durch
Bali, so passieren dir immer wieder unerwartete Dinge, die den
Aufenthalt hier in Kamerun unvergesslich machen werden.